Archiv der Kategorie: Rezension

Was tun bei Parkinson?

George, S. et. al (2023). Was tun bei Parkinson? Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige. Schulz-Kirchner Verlag. 4. Auflage mit 80 Seiten. ISBN: 978-3-8248-1323-0.

Die interdisziplinär aufgestellte Autorenschaft aus Ergotherapie, Physiotherapie, Sprachtherapie und Neurologie sowie dem Herausgeber „Deutscher Verband Ergotherapie (DVE)“ spiegelt sehr gut die rehabilitative Situation am Patienten während ihrer oder seiner Erstdiagnose oder von Angehörigen wider, die als Leserinnen und Leser dieser kurzen Einführung passend wäre; genauso könnten Berufsanfängerinnen und -anfänger aller Heilberufe zur Leserschaft gehören.

Die Parkinson-Krankheit und später die medikamentöse Therapie werden überblicksartig und „state of the art“ dargestellt. Sprachtherapeutisch wird evidenzbasiert v.a. auf die LSVT LOUD® Therapie eingegangen. Kaum Beachtung finden weitere, weniger evidenzbasierte jedoch gängige Therapiekonzepte wie die Lax Vox® Stimmtherapie (Chae et al., 2019) oder auch Methoden nach Nebel & Deuschl (2008) oder Ziegler & Vogel (2010).

Ähnlich fällt das Kapitel über Schlucken, das eine wesentliche menschliche Vitalfunktion darstellt, sehr kurz aus, wobei alle drei Therapiedisziplinen an der Rehabilitation von Schluckfunktionen eingebunden sind (Prosiegel, 2018; Eggers, 2021; Nebel & Deuschl, 2008).

Die Kapitel zur Schwierigkeit mit der Beweglichkeit allgemein und im Speziellen mit den Händen fallen hingegen detailreich und explizit aus mit anschaulichen Bildern und alltagstauglichen Tipps für Betroffene in verschiedenen Erkrankungsstadien und ihren Angehörigen. Beispielsweise werden die verschiedenen Cues (Hinweisreize) verständlich tabellarisch dargestellt und mit nützlichen Beispielen ergänzt.

Die weiterführenden Informationen zum Schluss sind gut strukturiert nach Selbsthilfegruppen, Online-Ressourcen, Hilfsmittel und Sozialleistungen. Eine weitere Aufteilung nach Heilberufen, Störungsbereichen oder eine Verknüpfung zu aktuellen Leitlinien erfolgt nicht. Weitere erwähnenswerte neuropsychologische Themen wie Aufmerksamkeit und Konzentration im Alltag wurden nicht fokussiert, wobei diese im Alltag ähnliche partizipative Barrieren für Betroffene darstellen können (vgl. dazu Leplow & Ringeldahl, 2022).

Insgesamt entsteht ein laienspezifischer, kurzweiliger Überblicksband zu den ersten Themen (Medikation, Physis, Kommunikation) nach der Diagnose Parkinson.

Rezensentin: Dr. Angela de Sunda (Akademische Sprachtherapeutin aus der Berufsfachschule für Logopädie in Würzburg)

BDSL Logopädie

Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie

Kaiser-Mantel, H. (2023). Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie. Bausteine für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. 2. Auflage mit 171 Seiten. Ernst-Reinhardt Verlag. 978-3-497-03202-0.

Bei dem vorliegenden Buch „Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie“ von Frau Kaiser-Mantel handelt es sich um die 2. Auflage mit Online-Zusatzmaterial. Insgesamt umfasst das Werk zwei Teile (Grundlagen und Bausteine der UK) mit insgesamt 10 Kapiteln. Für Einsteiger*innen in diesen Bereich werden die Grundlagen wie Begriffsklärung, Kommunikationsformen und Diagnostik verständlich erläutert. Spezifische Verfahren der Unterstützten Kommunikation – auch im Zusammenhang mit herausforderndem Verhalten -, Einbeziehung des Umfeldes und Fallbeispiele verdeutlichen die vielseitige praktische Umsetzung und jegliche erdenkliche Einsatzmöglichkeiten der UK in der Sprachtherapie. Diese reichen von Late Talkern über Sprachentwicklungsstörungen mit phonologischen und/oder syntaktisch-morphologischen Auffälligkeiten, Sprachverständnisschwierigkeiten bis hin zu Kommunikationsstörungen bei Autismus-Spektrum-Störung oder (nahezu) ausbleibender expressiver Sprache bei vorliegenden neurologischen oder kognitiven Beeinträchtigungen.

Von den Ansätzen PROMPT, VEDiT, McGinnis und TEACCH werden unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten beleuchtet. Beginnend mit dem Aufbau basaler Kommunikationsfähigkeiten bis hin zu speziellen Themen wie Anbahnung der Unterstützten Kommunikation bei Mehrsprachigkeit oder komplexen Beeinträchtigungen lassen sich für alle Eventualitäten Umsetzungsideen finden. Das Buch endet mit der Vorstellung der Finanzierung und den Anforderungen an die Praxisausstattung, die – wie im Buch dargestellt – sehr realistisch erscheinen.

Wichtige Begrifflichkeiten wie Kern- und Randvokabular werden ebenso wie insgesamt alle Kapitel des Buches verständlich und einfach formuliert, sodass es auch nach Feierabend gut lesbar ist. 

Erfreulich ist, dass das Thema „Einbezug des Umfeldes“ sehr konkret mit Transkripten von Therapiesequenzen transparent und nachvollziehbar geschildert wird, was die Umsetzung für neue Kolleg*innen erleichtern dürfte.

Besonders hervorzuheben sind die verfügbaren Online-Materialien sowie im Buch durch Ikons hervorgehobene weitere Informationsquellen (sehr ausführlich und aktuell) sowohl digital als auch in Papierform. Diese empfinde ich als sehr hilfreich.

Kaiser-Mantel, H. (2023). Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie. Insgesamt stellt das Buch für UK-Interessierte alle notwendigen Grundlagen zum Thema in leicht verständlicher Sprache dar. Es kann aber auch für Expert*innen vielfältige Vertiefungsmöglichkeiten durch die weiteren Informationsquellen darstellen. Toll ist, dass sich unter den Fallbeispielen auch Patient*innen aus der ambulanten Praxis finden, denn wie Frau Kaiser-Mantel sagt: „“UK ist für alle, die einzige Voraussetzung ist atmen!“

Rezensentin: Lena Bär (Akademische Sprachtherapeutin aus der Berufsfachschule für Logopädie in Würzburg)

Systematische Fallarbeit in der Logopädie

Schräpler, U. und Steiner, J. (2021): Systematische Fallarbeit in der Logopädie. Grundlagen und Beispiele. Kohlhammer Verlag: Stuttgart. 134 Seiten. ISBN: 978-3-17-036901-6

Das Buch ist ein weiterer Schritt in Richtung einer theoriegeleiteten logopädischen Praxis, die wissenschaftlich aufarbeitet und damit lehr- und wiederholbar macht, was als Erfahrungswissen durch viele Logopäd*innen aufgrund ihrer praktischen Tätigkeit bereits verinnerlicht ist.

In insgesamt zehn Kapiteln gehen die 13 Autor*innen auf die verschiedenen Aspekte der Fallarbeit ein. Sie verfolgen dabei das Ziel, Handlungssicherheit durch Wissen über ein systematisches Herangehen an einen Fall (vgl., 11) zu erzeugen.

Dafür wird zunächst in den ersten sechs Kapiteln grundlegend beleuchtet, was „Fall“ bzw. „Kasuistik“ bedeuten und wie wichtig es ist, kein prototypisches Vorgehen zu kreieren, sondern lediglich „Leitplanken“ (15) festzulegen, die den Rahmen für ein individuelles und gleichrangiges Arbeiten mit der konkreten Patient*in und ihrem Anliegen abstecken. Als solche Leitplanken werden beispielsweise das siebenstufige „Therapie-Kaskadenmodell“ (27ff.) für die Gestaltung des Therapieprozesses sowie die „Fallvignette mit 25 Stationen“ (51) als Überblick für Informationen, die in Berichten oder Dokumentationen festgehalten werden müssen, angeboten.

Um zu verdeutlichen, wie Praxis und Theorie in der Handlungswissenschaft Logopädie ineinandergreifen (müssen), beleuchten die Autoren der Kapitel fünf und sechs das Vorgehen bei der Entstehung von Modellen sowie jenes bei der Durchführung von (Einzel-) Fallstudien konkreter. Komprimiert und verständlich wird die Leserschaft an Arten und Inhalte von Modellen sowie die bestehenden Herausforderungen bei der Umsetzung von Studiendesigns mit einem hohen Evidenzniveau herangeführt.

Die letzten vier Kapitel wenden sich konkreten Fällen aus den Bereichen Stimm-, Spracherwerbs-, Stotter- und Dysphagietherapie zu. Dabei werden vorab aktuelle störungsbildspezifische Informationen aufgeführt und anschließend eine konkrete Fallschilderung anhand der Stufen des Therapie-Kaskadenmodells, welches auf diese Weise mehrmals wiederholt und somit gut verinnerlicht werden kann, vorgenommen. Verdeutlicht wird dadurch, dass das beschriebene Kaskadenmodell sowohl während der Arbeit am Fall als auch bei nachträglichen Beschreibungen, z.B. in der Aufarbeitung für Lehrzwecke, eine sinnvolle Orientierung bietet.

Für mich als Lehrende an einer Schule für Logopädie liefert das Buch wichtige Anregungen und Vorlagen zur theoretischen Vermittlung praktischer Prozesse, die bisher v.a. im Rahmen der supervidierten internen Ausbildung in der Lehrambulanz erfahren und erlernt worden sind. Besonders ansprechend empfinde ich die Sensibilität der Autor*innen für die Gleichstellung von externer und interner Evidenz. In Zeiten berufspolitischer Neuausrichtung und dem Drängen nach Akademisierung unserer Profession können Wissenschaftlichkeit und praktische Erfahrung sowie die Protagonisten beider Bereiche somit gleichermaßen wertgeschätzt und zum gegenseitigen Austausch angeregt werden.

Rezensentin: Jana Post (Logopädin, Dipl. Sprechwissenschaftlerin, Fachrichtungskoordinatorin Logopädie am Ausbildungszentrum für Gesundheitsfachberufe des Universitätsklinikums Halle/Saale)

BDSL Logopädie

Bewegung und Stimme bei Parkinson fördern

Hunziker, E. und Degen, U. (2022). Bewegung und Stimme bei Parkinson fördern. Ressourcenorientiertes Praxisbuch. Ernst Reinhardt Verlag. 120 Seiten. ISBN: 978-3-497-03103-0

Frau Hunziker und Frau Degen ist es gelungen, ein Buch mit Übungen für alle therapeutischen Disziplinen (Logopädie, Ergo- und Physiotherapie) sowie alle (Selbsthilfe)Gruppenleiter für an Parkinson erkrankten Menschen herauszubringen, welches Übungen aus allen Bereichen zur Förderung im Gruppensetting anbietet.

Im Mittelpunkt des Konzeptes steht das Wohlbefinden von Betroffenen, was sich häufig durch Veränderungen der Stimme und der Bewegungsfähigkeit bereits im frühen Stadium bemerkbar macht. Es wird verdeutlicht, dass sich der Begriff „Wohlbefinden“ in mehrere Bereiche unterteilt und welche Auswirkungen das Konzept unter Berücksichtigung verschiedenster Faktoren (z.B. Unsicherheit, Stress, Anspannung etc.) auf das soziale Leben nach sich ziehen kann.

Im Sinne der S3-Leitlinie zum Idiopathischen Parkinsonsyndrom der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) ist es Ziel des Konzeptes, die Stimme durch Bewegungsunterstützung zu kräftigen und somit auch die Unterstützung der gesamten Kommunikationsfähigkeit indirekt zu trainieren. Zusätzlich werden gleichermaßen stimmliche und motorische Fähigkeiten durch Körperwahrnehmung verbessert und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten soll zurückgewonnen werden.

Inhaltlich stehen die Schwerpunkte der Bewegungsverbesserung (Beweglichkeit, Gleichgewichts-, Koordinationsfähigkeit, Kraftdosierung), Verbesserung der Artikulation sowie Aktivierung der Mund- und Gesichtsmotorik, Koordination von Atmung und Sprechen und Grundlagen für eine physiologische Stimmgebung (Körperwahrnehmung und Entspannung). Methodisch wird aufgrund des Gruppenangebotes gezielt an die Stärken der einzelnen Teilnehmer*innen angeknüpft und das gemeinsame Experimentieren mit Freude und Neugier in den Mittelpunkt gerückt.

Exemplarisch sind vor der Übungssammlung drei Einheiten mit möglichen Inhalten dargestellt. Die jeweiligen Übungen werden in ihrem Setting und der Durchführung detailreich beschrieben. Ebenso werden der*dem Gruppenleiter*in methodisch-didaktischen Hinweise sowie Variationsmöglichkeiten und benötigte Materialien an die Hand gegeben. Alle aufgeführten Übungen werden bildlich dargestellt, sodass sich auch Laien gut in das Konzept einarbeiten können.

Das Buch ist klar strukturiert, inhaltlich logisch aufgebaut und verständlich geschrieben. Es bietet nicht nur Therapeuten die Möglichkeit, im Sinne einer interdisziplinären Behandlung über den Tellerrand hinauszuschauen, sondern leitet auch Personen, die nicht aus dem therapeutischen Kontext kommen, strukturiert zur Durchführung einer Gruppenstunde an.

Bewegung und Stimme bei Parkinson fördern Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass die im Buch genannten Übungen keine therapeutisch indizierte Intervention ersetzen, sondern lediglich als Förderungsmaßnahme anzusehen sind. Zudem wäre es schön gewesen, wenn auch mögliche Hindernisse oder Kontraindikationen für Übungen genannt werden, sodass eine korrekte Durchführung in jedem Fall gewährleistet bleibt.

Rezensentin: Lena Bär

BDSL Logopädie

Sprache und Ernährung bei Demenz

Knels, C. (2018): Sprache und Ernährung bei Demenz. Klinik, Diagnostik und Therapie. Thieme Verlag. 178 Seiten.

Im Fachbuch „Sprache und Ernährung bei Demenz. Klinik, Diagnostik und Therapie“ von Knels (2018) liegt der Fokus im Bereich des Grundlagenwissens. Die Autorin vermittelt dabei sowohl theoretisches als auch praktisches Wissen und bleibt dadurch praxisnah.

Inhaltlich umfasst das Buch die allgemeine Symptomatik von Demenz und mit Demenz einhergehenden Einschränkungen der Kognition, der Kommunikation und der Ernährung. Abgrenzend dazu wird auch das normale Altern und seine Auswirkungen in den o.g. Bereichen dargestellt, beispielsweise der Kalorienbedarf im Alter und in Abhängigkeit von verschiedenen Konditionen. Diagnostische Möglichkeiten werden sowohl für den Bereich Kognition als auch für den Bereich der Sprache genannt und z.T. mit Patientenbeispielen versehen. Bei den gängigen Sprachtests wird explizit Bezug auf die Anwendbarkeit und Interpretation beim Vorliegen einer Demenz genommen. Schließlich geht die Autorin auch auf Therapieoptionen im Bereich Sprache ein. Hierbei gibt sie einen soliden Überblick über das Setting, Voraussetzungen in der Therapie und an die Behandelnden, Behandlungsansätze sowie über die speziellen Bedürfnisse dieser Klientel. Hervorgehoben werden eine interdisziplinäre Herangehensweise, der Beziehungsaspekt in der Behandlung und die Biografiearbeit. Auch hier geben diverse Praxistipps einen Einblick und Hilfestellung für den Umgang mit Betroffenen sowie ihren Angehörigen. Hinsichtlich der Ernährung bei Demenz erfolgt eine ganzheitliche Betrachtung der Veränderungen und Herausforderungen durch die Erkrankung. Diese ist eine Einladung, über den Tellerrand der funktionellen Dysphagiebefundung und -behandlung hinaus zu denken und zu handeln.

Insgesamt hat die Autorin ein sehr lesenswertes Fachbuch geschaffen, das viele Möglichkeiten aufzeigt, sich in die herausfordernde Thematik „Logopädie bei Demenz“ zu vertiefen. Meiner Meinung nach finden auch Erfahrenere neue Impulse, zusätzliche Tipps und Bestätigungen eines Handelns, welches oft vielleicht mehr auf Intuition als auf wissenschaftlichem Fundament basiert. Beim Nachschlagen findet man schnell zur relevanten Stelle. Besonders gut gefallen haben mir Hinweise bezüglich fehlender Sinnhaftigkeit bei verschiedenen, allgemein bekannten und gern eingeforderten Maßnahmen, wie z.B. einzelner Tests oder Übungen ab einem bestimmten Schweregrad der Demenz. Dadurch entsteht jedoch keinesfalls der Eindruck, eine Befunderhebung oder Behandlung wäre grundsätzlich nicht mehr indiziert oder nicht mehr möglich. Frau Knels spricht sich alternativ z.B. dafür aus, Betroffene in ihrer Lebenssituation zu beobachten und daraus Therapieziele, Beratungsbedarfe und Ressourcen abzuleiten. Auch die Biografie- und Angehörigenarbeit hebt sie wiederholt hervor. Dies passt sehr gut zu meinen eigenen Erfahrungen. Ich empfehle dieses Buch sehr gern sowohl angehenden als auch berufserfahrenen Therapierenden.

Rezensentin: Melanie Hapke (Logopädin (M.Sc.) in Pulmologie, Neurologie und Geriatrie, Referentin und Prüfungsmitarbeiterin)

BDSL Logopädie

Innovative Beratung in der Logopädie

Steiner, J. (2021). Innovative Beratung in der Logopädie. Handreichungen für die Praxis. Schulz-Kirchner Verlag. 196 Seiten.

Das Buch „Innovative Beratung in der Logopädie“ umfasst 11 Beiträge von 12 Autor*innen. Den größten Anteil nehmen dabei die fünf Artikel zur „Grundlegung“ im A-Teil ein. Mit Beharrlichkeit wird deutlich gemacht, dass Beratung im logopädischen Alltag – im Kontext der ICF-basierten Betrachtung der Lebenszusammenhänge von Patient*innen, eines gleichrangigen Miteinanders (Shared Decision Making) sowie einer steigenden Komplexität und Interdisziplinarität – als „obligater Teil“ (Steiner, 34) angesehen werden muss. Die Leser*in findet nicht nur Wissen zu Beratungssettings und -modellen, systemischen Haltungen und Tools sowie herausfordernden Beratungssituationen, sondern darüber hinaus bereits Ideen zur Verknüpfung mit ihrem therapeutischen Alltag (Fallbeispiele oder Checklisten). Die Beiträge „Sprachtherapeutische Beratung unter Berücksichtigung kultureller Vielfalt und Translingualität“ sowie „Beratung trifft Online-Coaching trifft Logopädie […]“ verdeutlichen den Innovationsanspruch des Buches, da sie die Themen Migration und Digitalisierung/ Onlinetätigkeit aufgreifen, die gesellschaftspolitisch aktuell hohe Relevanz besitzen.

Im B-Teil folgen weitere fünf Beiträge, die den Blick auf Beratungssettings in konkreten logopädischen Arbeitsfeldern (z.B. Frühtherapie, LRS-Therapie, Videoarbeit) richten. Beim Lesen dieser Artikel werden erneut Aspekte aus den Grundlegungen des A- Teils aufgegriffen. So findet beispielsweise im Artikel von K. Hirsch zur „LRS- Therapie bei Kindern und Jugendlichen […]“ die LFST (Lösungsorientierte Sprachtherapie) Erwähnung, die in enger Verbindung zu den grundlegenden „Eckpunkten der systemisch ausgerichteten Beratungspraxis in der Logopädie“ von J. Steiner steht. Die Fokussierung der Beratungstätigkeit lässt bekannte Methoden wie die Videoarbeit/-analyse im Kontext der Sprachentwicklungstherapie noch einmal in einem anderen, einem stark ressourcen- orientierten Licht erscheinen.

Den Abschluss bildet der Artikel von G. Newesely im C-Teil zum Thema „Schriftliche Formen der Kooperation“, in dem er auf das Verfassen von Berichten und Gutachten eingeht und damit auch noch einmal die Schriftsprache und ihre Bedeutung im logopädischen Behandlungsprozess ins Visier nimmt.

Das Buch besticht von Anfang an durch eine klare inhaltliche Struktur, eine fachlich anspruchsvolle und trotzdem gut verständliche Sprache sowie durch konkrete Überträge allgemeiner Beratungsgrundsätze in das logopädische Handlungsfeld. Auch die formale Gestaltung unterstützt den Lesefluss durch gelegentliche Hervorhebungen sowie Tabellen und Abbildungen (tw. leider sehr klein abgedruckt), verzichtet aber auf ein Überladen mit Zusammenfassungen, Markierungen und Fettdrucken.

Absolut lesenswert für Therapeut*innen mit wenig, aber auch mit viel Beratungserfahrung sowie für Lehrende, die dabei helfen Gesprächskompetenzen von zukünftigen Logopäd*innen/ Sprachtherapeut*innen weiterzuentwickeln.

Rezensentin: Jana Post (Fachrichtung Logopädie am UKH Halle/Saale)

BDSL Logopädie

Lehren und Lernen mit Tutorials und Erklärvideos

Dorgerloh, S. und Wolf, K. (2020). Lehren und Lernen mit Tutorials und Erklärvideos. Beltz Verlag. 189 Seiten.

Heute, da Homeschooling, Social Distancing und Infektionsschutz unsere täglichen Begleiter sind, stehen die meisten Lehrenden und Lernenden vor enormen Herausforderungen hinsichtlich des zu bewältigenden Lehrstoffs unter drastisch veränderten Voraussetzungen. Spätestens jetzt müssen sie sich mit den Möglichkeiten, Herausforderungen und auch Grenzen der teils digitalen Unterrichtsgestaltung auseinandersetzen. Umso erfreulicher ist es zu erfahren, dass es bereits langjährig etablierte, erfolgreich angewendete und realisierbare Ideen und Konzepte für das Lehren und Lernen mit digitalen Unterrichtstools gibt. Und genau darum geht es in diesem Buch.

An dem vorliegenden Sammelband sind insgesamt 32 AutorInnen und 14 InterviewpartnerInnen, darunter u.a. Lehrende, Forschende sowie Erklärvideoproduzenten, beteiligt. Zusammen geben sie einen überregionalen und internationalen Einblick in die Thematik der Tutorials und Erklärvideos. Dabei ist es den Herausgebern gelungen, ein gleichbleibend hohes und homogenes Niveau zu etablieren. Interessant und hilfreich sind die vielen Verweise auf Internetseiten oder YouTube-Kanäle. Ein selbstständiges Weiterrecherchieren ist dadurch und durch entsprechend getätigte Quellenangaben problemlos möglich. Sehr gelungen ist der schlüssige Aufbau des Buches. Zu Beginn werden Begrifflichkeiten und Zusammenhänge erläutert und der Leser erhält einen Überblick über den Werdegang von Lehrfilmen. Ein fließender Übergang gelingt daraus zur Darstellung der aktuellen (Markt-)Situation im Bereich der Lehrfilme. Hier wird sowohl auf die Möglichkeiten als auch auf die Grenzen von YouTube-Kanälen, Plattformen mit professioneller Videoproduktion, die gegen Gebühr genutzt werden können, als auch auf die Erstellung eigener Videos eingegangen. Darüber hinaus wird Begleitmaterial vorgestellt und dessen Einsatzmöglich- und -notwendigkeiten genannt. Der Leser erhält Informationen über die notwendige Ausrüstung: Hardware (vom Einfachen zum Professionellen) sowie Software (oft frei verfügbar). Der Bezug zu Methodik und Didaktik steht stets im Mittelpunkt der Ausführungen. In vielen Beispielen wird die Nutzung für die Unterrichtsgestaltung beschrieben und der Nutzen, den Lehrende und Lernende aus der Arbeit mit digitalen Unterrichtstools ziehen können, dargestellt. Zur Veranschaulichung werden Tabellen und Abbildungen, z.T. auch Fotos, in schwarz/weiß genutzt. Herausforderungen im Zusammenhang mit der Arbeit mit Erklärvideos und Tutorials werden ebenfalls angesprochen – und zum Teil individuelle Lösungsmöglichkeiten beschrieben.

Alle AutorInnen verbindet, dass sie sich den Herausforderungen stellen, mit Kreativität, Energie und kritischem Blick an den Einsatz der digitalen Medien gehen und dadurch viele positive Rückmeldungen von Lernenden und KollegInnen erhalten. Da der Schwerpunkt der Berichte klar im Regelschulbereich liegt – es finden sich darüber hinaus einzelne Beiträge aus der Lehrerausbildung – wäre es interessant gewesen, auch die Erfahrungen von SchülerInnen bzw. von Eltern dargestellt zu bekommen.

Das Buch, inklusive E-Book inside, ist unabhängig von der aktuellen Situation absolut lesenswert. Nicht nur jeder Lehrende sollte sich mit der vorliegenden Thematik befassen. Da Tutorials und Erklärvideos als Tool verstanden werden sollen, kann jeder professionell tätige Dienstleister dieses individuell und kreativ für sich und seine Dienstleistungen einsetzen. Es macht Lust darauf und ermutigt, sich dem Thema Digitalisierung im professionellen Dienstleistungsbereich weiter zu öffnen und seine Chancen, wo immer es geht, zu nutzen.

Rezensentin: Melanie Hapke (Logopädin (M.Sc.) in Pulmologie, Neurologie und Geriatrie, Referentin und Prüfungsmitarbeiterin)

Lexikalische und semantische Störungen bei Aphasie

Stadie, N., Hanne, S. und Lorenz, A. (2019). Lexikalische und semantische Störungen bei Aphasie. Thieme Verlag. 240 Seiten.

Im Fachbuch „Lexikalische und semantische Störungen bei Aphasie“ von Stadie, Hanne & Lorenz (2019) stellen die Autorinnen entsprechend des Buchtitels den aktuellen Wissensstand ausgehend von den Symptomen und Einflussfaktoren, über Modellvorstellungen bis hin zu Diagnostik und Therapie dar.

Die Autorinnen haben dabei den Anspruch, Theorie und Praxis aktuell, wissenschaftsbasiert und praxisorientiert darzulegen. Dafür gehen sie auf verschiedene psycholinguistische Theorien ein und leiten daraus das praktische Vorgehen für die Diagnostik und die Therapie ab. Ihre Erklärungen sind in allen Kapiteln sehr deutlich und verständlich. Zusätzlich erleichtern Praxisbeispiele, schematische Darstellungen, tabellarische Übersichten, Querverweise und kurze Zusammenfassungen die Arbeit mit dem Buch. Der Aufbau des Buches ist sehr gut strukturiert, sodass man sich Schritt für Schritt in die Thematik einarbeiten kann oder anhand der prägnant gewählten Überschriften auch zügig zur gewünschten Stelle findet. Mir hat besonders der Therapieteil sehr gut gefallen. Die Autorinnen stellen hier nicht nur die evidenzbasierte Praxis (EBP) und die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) in den Mittelpunkt, sondern gehen auch auf die Notwendigkeit der Therapieevaluation ein. Hierfür empfehlen sie beispielsweise die SMART-Formel zur Erstellung und späteren Überprüfung von Therapiezielen. Bei den genannten therapeutischen Aufgaben, die sie aus Studien extrahiert haben, werden jeweils auch angenommene Wirkmechanismen, die aktuelle Evidenzlage sowie im Handel erhältliches Material angegeben. Zusätzlich erhält der Leser in übersichtlichen Praxisbeispielen mögliche Instruktionen, Beispiele, Hilfestellungen und Steigerungsmöglichkeiten.

Insgesamt haben die Autorinnen ein Fachbuch geschaffen, das Lust und Freude bereitet, sich mit der Thematik ausführlich auseinander zu setzen. Durch die hervorragende Struktur ist genau der richtige Tiefgang erreicht und auf Überflüssiges verzichtet worden. Ich kann dieses Fachbuch sowohl angehenden als auch berufserfahrenen Therapeuten empfehlen, denn es eignet sich gleichermaßen zur Aneignung, Auffrischung und Vertiefung des Wissens und somit als Studien- und Praxisbegleiter.

Rezensentin: Melanie Hapke (Logopädin (M.Sc.) in Pulmologie, Neurologie und Geriatrie, Referentin und Prüfungsmitarbeiterin

BDSL Logopädie

Neuropädiatrie für Sprachtherapeuten

Lücke, Thomas, Costard, Sylvia und Illsinger, Sabine (2017). Neuropädiatrie für Sprachtherapeuten. Elsevier Verlag. 304 Seiten und Online-Material.

Das Buch schließt eine Lücke in der Neurologischen Fachliteratur!
Ein interdisziplinäres Team von Expert*innen aus der Kinder- und Jugendmedizin, der klinischen Linguistik, Sprachheilpädagogik, der Phoniatrie, Pädaudiologie und Psychologie informiert fundiert über sprachtherapeutisch / logopädisch relevante Bereiche der Neuropädiatrie.
Das Buch vermittelt neben einer Einführung in die „Neuromedizin des Kindes- und Jugendalters“, Grundlagen zur physiologischen Entwicklung des Nervensystems und der Sprache sowie deren Störungen. Darauf aufbauend werden neuropädiatrische Störungsbilder und Erscheinungsformen erläutert. In der letzten Sektion wird ein Schwerpunkt auf besondere Aspekte der sprachtherapeutischen Diagnostik und Therapie im Rahmen der Neuropädiatrie gelegt.
Die einzelnen neurologischen Störungsbilder sind detailliert und verständlich beschrieben und mit vielen Referenzen belegt, sodass man leicht weiterführende Literatur findet. Das Layout ist sehr ansprechend und leserfreundlich. Viele Merkboxen, Illustrationen, Fallbeispiele und Fragen zur Wissensprüfung am Kapitelende erleichtern den Wissenserwerb. Am Ende des Buches findet man die Lösungen zu den Aufgaben und ein Glossar zu Fachbegriffen.
Über die einzelnen Kapitel hinweg wurden kontinuierlich Verknüpfungen zur sprachtherapeutischen Arbeit und zur physiologischen Sprachentwicklung vorgenommen. Beispielweise wurde die Darstellung von Komorbiditäten von Sprachentwicklungsstörungen durch eine tabellarische Übersicht über die altersgemäße Abfolge von Meilensteinen in der Sprachentwicklung ergänzt. Sehr erfreulich ist, dass aktuelle Diagnostikkriterien erläutert werden. In diesem Rahmen wird auch der Bezug von neuropädiatrischen Störungen zu sozio-kommunikativen Beeinträchtigungen und Pragmatikstörungen im DSM-V thematisiert wird. Es werden Verhaltensstörungen, neuromuskuläre neurometabolische und entzündliche Erkrankungen beschrieben. Auch Cerebralparesen und das im Kindes- und Jugendalter eher häufigere Störungsbild des Schädelhirntraumas werden behandelt. Bei der Darstellung von genetischen Erkrankungen wurden auch eher seltene Formen (z.B. wie das Pitt-Hopkins-Syndrom) berücksichtigt.
Im letzten Kapitel wird ausführlich auf besondere Aspekte der sprachtherapeutischen Diagnostik und Therapie eingegangen. Es werden u.a. Besonderheiten der pädaudiologischen Diagnostik oder der Therapie bei SSES im Rahmen von neuropädiatrischen Störungen sowie Aspekte der Sprachförderung von Kindern mit geistiger Behinderung erklärt. Den Ess-, Trink- und Fütterungsstörungen ist ebenfalls ein eigener Abschnitt gewidmet.
Zusammengefasst gibt das Buch einen umfassenden Eindruck in das sprachtherapeutische Handlungsfeld in der Neuropädiatrie.
Die Zielsetzungen des Buches fundierte Kenntnisse über die Hirnentwicklung und den Spracherwerb zu liefern und damit Grundlage für eine qualitativ hochwertige Sprachtherapie zu sein, ist dem Autorenteam sehr gelungen. Der Preis ist für die Fülle an Wissen zur Neuropädiatrie als günstig anzusehen.

Rezensentin: Dr. Julia Büttner-Kunert (LMU München, Studiengang Sprachtherapie)

BDSL Logopädie

Das FASD-Elternbuch

Kamphausen, U. und Leipholz, S. (2020). Das FASD-Elternbuch. Hilfen und Strategien für Eltern und Kinder. Schulz-Kirchner Verlag. 144 Seiten. ISBN: 978-3-8248-1263-9.

Wie im Untertitel angekündigt will das FASD-Elternbuch Hilfen und Strategien geben für Eltern und Kindern mit FASD. Es ist jedoch ein Gewinn für jeden im Gesundheitswesen Tätigen. Einerseits um mehr zu erfahren für den eigenen Umgang mit den Betroffenen. Andererseits um Anregungen geben zu können für den verständnisvollen Umgang innerhalb betroffener Familien. Oder um an entsprechende Fachstellen verweisen zu können. Zentral ist die Aussage, dass die Kinder sich wegen ihrer Beeinträchtigungen so verhalten, und nicht weil sie unerzogen sind.
Das Fetale Alkohol-Syndrom ist eine vorgeburtliche Schädigung durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft. Ein Kapitel handelt von dem Erstverdacht auf FASD bis hin zur Diagnose. Im weiteren werden die Symptome und Schwierigkeiten bei FASD ausführlich beschrieben. Denn wenn man einem FASD-Kind helfen und es begleiten will, dann ist der erste Schritt das Handicap FASD zu verstehen. Hervorgehoben wird, dass es eine FASD-gerechte Pädagogik benötigt mit anderen Strukturen und Hilfen als für gesunde Kinder. Denn bei gängiger, moderner Pädagogik vermehren sich die Probleme nur und die Kinder geraten in eine Abwärtsspirale aus Überforderung, Stress und scheitern. Neben einer Beschreibung des Verhaltens und dem sinnvollen Umgang damit nehmen deshalb Hinweise für Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten großen Raum ein. Dabei wird betont wie wichtig es ist, dass Eltern auch Entlastung finden in einem Unterstützerteam. Bauen Sie sich gezielt ein Unterstützerteam auf und pflegen Sie es bewusst. Denn es geht darum mit den alltäglichen Belastungen langfristig gut zurechtzukommen. Da es keine spezifische Therapie gibt müssen FASD-Kinder, ihre Kernfamilie und die erweiterte Familie gleichermaßen lernen mit der Behinderung FASD zu leben.
Insgesamt ein sehr lohnenswertes Buch!

Rezensent: Andreas Speth (Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie)

BDSL Logopädie