Schräpler, U. und Steiner, J. (2021): Systematische Fallarbeit in der Logopädie. Grundlagen und Beispiele. Kohlhammer Verlag: Stuttgart. 134 Seiten. ISBN: 978-3-17-036901-6
Das Buch ist ein weiterer Schritt in Richtung einer theoriegeleiteten logopädischen Praxis, die wissenschaftlich aufarbeitet und damit lehr- und wiederholbar macht, was als Erfahrungswissen durch viele Logopäd*innen aufgrund ihrer praktischen Tätigkeit bereits verinnerlicht ist.
In insgesamt zehn Kapiteln gehen die 13 Autor*innen auf die verschiedenen Aspekte der Fallarbeit ein. Sie verfolgen dabei das Ziel, Handlungssicherheit durch Wissen über ein systematisches Herangehen an einen Fall (vgl., 11) zu erzeugen.
Dafür wird zunächst in den ersten sechs Kapiteln grundlegend beleuchtet, was „Fall“ bzw. „Kasuistik“ bedeuten und wie wichtig es ist, kein prototypisches Vorgehen zu kreieren, sondern lediglich „Leitplanken“ (15) festzulegen, die den Rahmen für ein individuelles und gleichrangiges Arbeiten mit der konkreten Patient*in und ihrem Anliegen abstecken. Als solche Leitplanken werden beispielsweise das siebenstufige „Therapie-Kaskadenmodell“ (27ff.) für die Gestaltung des Therapieprozesses sowie die „Fallvignette mit 25 Stationen“ (51) als Überblick für Informationen, die in Berichten oder Dokumentationen festgehalten werden müssen, angeboten.
Um zu verdeutlichen, wie Praxis und Theorie in der Handlungswissenschaft Logopädie ineinandergreifen (müssen), beleuchten die Autoren der Kapitel fünf und sechs das Vorgehen bei der Entstehung von Modellen sowie jenes bei der Durchführung von (Einzel-) Fallstudien konkreter. Komprimiert und verständlich wird die Leserschaft an Arten und Inhalte von Modellen sowie die bestehenden Herausforderungen bei der Umsetzung von Studiendesigns mit einem hohen Evidenzniveau herangeführt.
Die letzten vier Kapitel wenden sich konkreten Fällen aus den Bereichen Stimm-, Spracherwerbs-, Stotter- und Dysphagietherapie zu. Dabei werden vorab aktuelle störungsbildspezifische Informationen aufgeführt und anschließend eine konkrete Fallschilderung anhand der Stufen des Therapie-Kaskadenmodells, welches auf diese Weise mehrmals wiederholt und somit gut verinnerlicht werden kann, vorgenommen. Verdeutlicht wird dadurch, dass das beschriebene Kaskadenmodell sowohl während der Arbeit am Fall als auch bei nachträglichen Beschreibungen, z.B. in der Aufarbeitung für Lehrzwecke, eine sinnvolle Orientierung bietet.
Für mich als Lehrende an einer Schule für Logopädie liefert das Buch wichtige Anregungen und Vorlagen zur theoretischen Vermittlung praktischer Prozesse, die bisher v.a. im Rahmen der supervidierten internen Ausbildung in der Lehrambulanz erfahren und erlernt worden sind. Besonders ansprechend empfinde ich die Sensibilität der Autor*innen für die Gleichstellung von externer und interner Evidenz. In Zeiten berufspolitischer Neuausrichtung und dem Drängen nach Akademisierung unserer Profession können Wissenschaftlichkeit und praktische Erfahrung sowie die Protagonisten beider Bereiche somit gleichermaßen wertgeschätzt und zum gegenseitigen Austausch angeregt werden.
Rezensentin: Jana Post (Logopädin, Dipl. Sprechwissenschaftlerin, Fachrichtungskoordinatorin Logopädie am Ausbildungszentrum für Gesundheitsfachberufe des Universitätsklinikums Halle/Saale)